Mitteilung von AFVD vom 29.04.2009

Vollmers Draft-Erfolg eröffnet deutschen Jugend-Footballern Perspektiven

Der 24-jährige Sebastian Vollmer hat geschafft, wovon Tausende Footballer in Deutschland träumen. Und das mit einem Paukenschlag: Bei der Draft der NFL in New York wurde er als 58. Spieler insgesamt ausgewählt. Die New England Patriots „adelten“ ihn damit als den - die Draft-Reihenfolge als Maßstab genommen - achtbesten Offensive Lineman des letztjährigen College-Abschlussjahrgangs und wollen ihm in näherer Zukunft eine wichtige Rolle beim Schutz von NFL-Superstar Tom Brady vor den gegnerischen Verteidigern anvertrauen.

Der in Kaarst bei Düsseldorf geborene Vollmer ist damit der erste Deutsche, der auf dem „Königsweg“ in die NFL einzieht, über die Draft und damit handverlesen aus dem schier unüberschaubaren Talent-Pool der NCAA herausgepickt. Sämtliche bisherigen NFL-Gehversuche deutscher Spieler waren unter anderen Umständen gestartet worden, ihre Verpflichtungen waren stets erst im Sommer zustandegekommen, wenn die Teams für ihre Camps in der Kaderpolitik vor allem auf Quantität achten, in der Gewissheit, leichtfertige Verpflichtungen in dieser Zeit bei den Cuts vor Saisonbeginn ebenso schnell und billig wieder rückgängig machen zu können.

Ein wertvolles Auswahlrecht bei der Draft - das zwar nicht gegen Geld aber teilweise gegen geldnahe Vorteile in immenser Höhe gehandelt werden kann, wie sich auch in diesem Jahr in New York wieder zeigte - auf einen Spieler zu verwenden, der in Deutschland seine ersten Schritte auf ein Footballfeld gemacht hat, dies hat eine neue Qualität. Dabei ließ Vollmer selbst Tom Nuetten bei seiner Draft-Auswahlposition hinter sich - Nuetten war 1995 an 221. Stelle von den Buffalo Bills ausgewählt worden. Insofern muss er den Vergleich mit jenem späteren Super-Bowl-Sieger sowieso nicht scheuen, hinzu kommt der Umstand, dass Nuetten im eigentlichen Sinne kein Deutscher ist - weder von der Staatsbürgerschaft noch von der footballerischen Ausbildung her.

Und dies macht die Auswahl Vollmers dann erst recht zu einem ganz besonderen Glücksfall auch für den deutschen Football insgesamt. Denn dort, wo bei nahezu allen College-Spielern im Fokus der NFL-Scouts im Lebenslauf unter dem Punkt „High School“ eine jener US-Schulen steht, an denen Football quasi im Staatsauftrag zu den Lerninhalten gehört, steht in Vollmers Kurz-Bio bei der University of Houston das Quirinus-Gymnasium Neuss. Dem ist dann eine 25-0-Sieg-Niederlagen-Bilanz zur aktiven Zeit Vollmers zugeordnet. Da das Quirinus-Gymnasium wie alle Schulen Deutschlands aber kein eigenes Football-Team hat, gehört dieser „Record“ natürlich anderen, und da es um deutschen Jugend-Football geht, geradezu selbstverständlich den Düsseldorf Panthern. Den Nimbus des deutschen Rekordmeisters bei den Herren hat man inzwischen zwar an die Braunschweig Lions verloren, auf die Jugendarbeit der Panther aber ist nach wie vor Verlass. Was sich nun nicht mehr nur in der schieren Anzahl von Jugendmeisterschaften (14 bisher insgesamt, davon die letzten sieben in Serie) ausdrückt, sondern auch in der Auswahl Vollmers durch eine der bei der Talentauswahl als besonders akribisch und erfolgreich geltenden Cluborganisationen der NFL.

Natürlich ist Vollmers Weg zum NFL-Profi maßgeblich an der Universität von Houston geprägt worden, und ohne NCAA-Football auf höchstem Niveau dürfte Deutschen auf absehbare Zeit der Sprung in die NFL nicht möglich sein. Aber man darf genauso den Vergleich der Panther-Organisation mit US-High-Schools heranziehen und versuchen, mit einer groben Statistik zu messen, was die Panther hier geleistet haben: An rund 15.000 US-High-Schools wird Football gespielt, das heißt dass bei jährlich rund 250 für die NFL gedrafteten Spielern eine High School im Durchschnitt alle 60 Jahre einmal einen ihrer Absolventen unter den für die NFL gedrafteten Spielern erwarten kann. Die 1978 gegründeten Panther haben dies in der Hälfte dieser Zeit nun bereits einmal geschafft. Ein Indiz dafür, dass ihre footballerische Grundausbildung besser sein dürfte als die einer Vielzahl US-amerikanischer High Schools.

Umso bemerkenswerter, da bisher auch aus den USA oft verlautbart wurde, nur über eine US-High-School schon vor der College-Zeit sei der Weg ins Profi-Lager möglich. Wie sich zeigt, ist dies nicht in Stein gemeißelt. Kurz nachdem mit der NFL Europa die bislang als vorgezeichnet geltende Route für einen Deutschen in die NFL verschlossen wurde, hat es nun ganz im Gegenteil einer geschafft, der seine sportliche Grundausbildung außerhalb des amerikanischen Schulsystems im deutschen Sport genossen hat. Im Alter von 14 Jahren hatte Vollmer mit dem Football bei den Panthern begonnen. Davor war er als Schwimmer und Fußballer aktiv gewesen. Mit den Düsseldorfern wurde er zweimal Deutscher Meister wurde, mit der Juniorennationalmannschaft des AFV Deutschland bei der EM 2002 Zweiter.

Für eine ganze Reihe von heute in den AFVD-Mannschaften aktiven Jugendlichen eröffnet Vollmers Erfolg neue Perspektiven. Sollte er sich in der NFL einen Platz im Kader erkämpfen können (und das ist bei einem Zweitrunden-Pick eher Regel denn Ausnahme), sollte dies vor allem dem Jugend-Football unter dem Dach des AFV Deutschland mittelfristig Auftrieb geben. Zwar wird ihm die Position des Offensive Tackles kaum die Gelegenheit bieten, wie Dirk Nowitzki zum Superstar zu werden. Weitreichender als der bloße PR-Effekt wird aber für den deutschen Football wirken, dass Coaches dieser Position im Gegensatz zum Zuschauer besonderes Augenmerk widmen. Dass Patriots-Trainer-Guru Bill Belichik den Anfang machte und hier einen Deutschen holte, könnte helfen, einige US-Trainer dazu zu bewegen, sich auf der Suche nach neuen Talenten stärker als bisher auch auf Übersee zu konzentrieren.

Das gilt vor allem für solche in Diensten von College-Teams. Für engagierte Jugend-Footballer hierzulande wäre auch dies eine sehr gute Nachricht. Schließlich gibt es dabei nicht nur die Chance, sich für die NFL zu empfehlen. Sondern gratis noch dazu die Möglichkeit zu einem Studium in den USA (wenn man es denn schafft, Sport und Studium gleichermaßen engagiert zu betreiben). Vollmer etwa hat in Houston einen Bachelor-Grad in Kommunikation erworben und studierte zunächst weiter Wirtschaftswissenschaften. Nun wird zweifellos der Sport für ihn zunächst in den Mittelpunkt rücken - das minimale Jahresgehalt eines in diesem Jahr gedrafteten Spielers beträgt laut NFL-Traifvertrag 310.000 Dollar.