Mitteilung von Stuttgart Scorpions vom 14.01.2012

Interview mit Michael “Mamba” Eichel - Fortsetzung

Der Head Coach berichtet über Erfolgsstrategien und Erwartungen

Redaktion:
Hallo Mamba, letzte Woche haben wir sehr viel über deine Arbeit und die Entwicklung bei den Scorpions Juniors erfahren. Beruflich wie auch privat beschäftigst du dich sehr intensiv mit Organisationsstrukturen und Prozessabläufen. Wie beurteilst du derzeit die Entwicklung der erweiterten Ligastrukturen der GFL-Junior und GFL?

Eichel:
Kritisch. Ich war dabei als seinerzeit die Jugendbundesliga „GFL-Juniors“ als solche gegründet wurde. Sie diente dem Zweck, die Ligen der Landesverbände vor überstarken Vertretern zu schützen und den überstarken Vertretern auf Dauer einen angemessenen Wettbewerb zu bieten. Dies war sinnvoll, da Teams wie die Adler, Panther oder auch wir durch Ligen pflügten, was weder im Interesse der Schwächeren noch stärkeren Teams war. Der vergangene Hype des Footballsports zeigte sich auch im ein oder anderen etablierten Team durch spürbaren Kaderschwund. Es gab kaum Möglichkeiten in die Liga „aufzusteigen“, was aus meiner Sicht bis heute richtig war und ist. Nicht, weil man es einem schwächeren Team in einem guten Jahr nicht gönnen würde, sondern nur eine durchgängige nivellierte Jugendarbeit dieser Verantwortung für ein Team gerecht wird. Durch die „Durchlässigkeit“ ist heute der Fahrstuhleffekt größer denn je. Eine Vergrößerung einer Liga macht aus meiner Sicht eben nur Sinn, wenn man es schafft, Teams qualitativ und quantitativ dauerhaft dort spielen zu lassen. Leider beobachten wir diesen Effekt nun in der GFL. Eine Aufstockung mit zu wenig Substanz ist ein Genickbrecher und der sportliche Sinn ist mehr als zweifelhaft.

Redaktion:
Welche Rückschlüsse kann die GFL aus der Jugendarbeit des amtierenden deutschen Meisters Schwäbisch Hall Unicorns und der GFL-Lizenzverweigerung des Halbfinalisten Mönchengladbach Mavericks schließen?

Eichel:
Substanz + Kontinuität = Qualität + Stabilität. Das ist meine Hauptgleichung.
Wenn das Wissen und die Fähigkeit zur Umsetzung (in Gänze Substanz) zusammenkommt und dies dauerhaft umgesetzt wird (Kontinuität), dann entsteht zwangsläufig eine Ausbildungsklasse, die einer Mannschaft ermöglicht, erfolgreich Football zu spielen und damit verbunden die Stabilität in wirtschaftlicher und personeller Hinsicht über Jahre hinaus zu sichern. Zu Gladbach möchte ich mich gar nicht im Einzelnen äußern. Trends kommen…und vor allem…sie gehen wieder. Wenigstens hat die Deutsche Bahn nun wieder mehr Kunden. Das Gladbacher Personal muss ja bundesweit umverteilt werden.

Redaktion:
Welche Erwartungen hast du als Head Coach an den Bundesverband AFVD?

Eichel:
Das Ende von Maßnahmen, die keine messbare und positive Wirkung auf den Erfolg des Footballsports haben. Beispiel: Das Lizensierungsverfahren hatte keine Auswirkung auf das eigentlich Bezweckte, wie dieses Jahr wiedermal gesehen. Reduktion der verbandsseitigen Kosten für den Ligasport. Man sollte langsam zur Kenntnis nehmen, dass der Footballsport sich nicht durch game clocks, Lichtstärken im Stadion und sonstige nice to haves weiterentwickelt. Restrukturierungen sind auch so ein Modewort im Footballsport. Die Wenigsten wissen allerdings, was das bedeutet. Ich habe beruflich etliche Restrukturierungen begleiten dürfen. Dieses Phänomen ist mir bekannt. Sie entstehen aufgrund persönlicher Befindlichkeiten, Wünsche und Träume. Selten haben sie eine fundierte sachliche Analyse als Grundlage. Warum? Weil die Analyse meist nicht die gewünschte Handlungsalternative zum Vorschein bringt, sondern sehr oft das Gegenteil. Ich erwarte, den Fokus nicht mehr auf die Ziele der Vergangenheit zu legen, sondern sich zu hinterfragen und zu überdenken. Wir befinden uns in der GFL heute wieder exakt auf dem organisatorischen Stand der frühen 90er Jahre, als es noch keine Interconference Spiele gab. De facto wurde das Rad wieder zurückgedreht.
Der AFVD sollte aus meiner Sicht die Basis legen, den Footballsport langfristig gesellschaftlich zu verankert. Das ist ein langfristiger Prozess, aber notwendig. Sonst werden kurzfristige Hypes wieder als „Entwicklung“ des Sports interpretiert….und dies mit bösem Erwachen.

Redaktion:
Was kann Deutschland von anderen Ländern oder Sportarten in puncto Jugendarbeit lernen?

Eichel:
Wir neigen mittlerweile, eigentlich „untypisch deutsch“, dazu, zu schnell nach den Sternen zu greifen. Dabei vergessen wir meist, dass wir eine intakte „Startrampe“ für die Mission brauchen. Andere haben es deutlich besser verstanden.

Redaktion:
Wie kommt es, dass zum Beispiel die aktuell erfolgreiche Jugendarbeit der Hamburg Young Huskies oder des Junior Bowl-Gewinners 2011 Cologne Falcons kaum spürbare Erfolge bei den Seniorenteams zeigt?

Eichel:
Dieses Phänomen haben wir schon geraume Zeit bei den Panthern erkannt. Es gibt vielerlei Faktoren, die dazu führen können. Ich maße mir ohne eingehende Analyse kein Urteil an.

Redaktion:
Wann wird das Stuttgarter GFL-Team nachhaltig von deiner Jugendarbeit profitieren?

Eichel:
Unserer…das ist das Credo…unsere Arbeit wird in zwei bis drei Jahren spürbare Folgen für das GFL-Team haben und ich verrate so viel: Ich freue mich auf diese Auswirkungen schon sehr.

Redaktion:
Wir danken dir für das aufrichtige Interview und wünschen dir mit deinem neuen Trainerstab und deinen Scorpions Juniors eine erfolgreiche Saison 2012.

GH